Wir sind heute hier zusammen gekommen, um über den Holocaust an den Pontos-Griechen zu sprechen, den Holocaust in den Jahren der “grossen Katastrophe“ der Griechen, größer als diejenigen in den Jahren 1453 und 1461. Wir auf meinen damit den grossen Niedergang des Hellenismus und der darauffolgenden sog. Kleinasiatischen Katastrophe. Damals als unser antikes Erbe zu Orten voller Tränen und Blut geworden sind. Damals als es durch den Völkertausch, viele würden es Entwurzelung nennen, zu einer modernen griechischen Tragödie kam, die mit der antiken Tragödie vergleichbar ist, jedoch ohne katharsis (seelische Reinigung) der bekannten und anonymen Täter. Über diese Tragödie der Pontos-Griechen sprechen wir heute, die kein Publikum hatte, sondern nur Opfer. Ich muss Ihnen sagen, dass wir nicht um uns herum Feinde sehen trotz all der Schwächen der menschlichen Denkweise. Ich werde versöhnlich zu Ihnen sprechen. Ich beginne mit den Worten von Polychronis Enepekidis, aus einer seiner Reden vor einigen Jahren in Klikis: "Ich wünschte unter meinen Zuhörern wären Türken, viele Türken, die unterschiedliche politische, soziale und religiöse Ansichten vertreten. Ich will keine fanatischen Türken in meinem Publikum. Der Fanatismus hasst die Logik und der gesunde Menschenverstand den Fanatismus."
Ich will von Anfang an klarstellen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass die verfügbaren Daten klare Beweise für die Begehung des Völkermords liefern. Dies muss erwähnt werden, weil es viele gibt, auch Pontos-Griechen, die immer noch daran zweifeln. Um sich mit dem Thema des Pontischen Völkermords zu beschäftigen, muss man erst die 500-jährige Herrschaft der osmanischen Türkei betrachten und sich auf das Pontosgebiet konzentrieren.
Denken Sie an unsere Vorfahren, die in dieser Zeit überlebten, die die Bräuche und Traditionen wie auch den pontischen Dialekt, diesen grossen Schatz, in sich trugen. Dieser Dialekt ist der Beweis unserer Herkunft und macht uns Stolz, aber dies scheint einige wenige zu stören. Erinnern Sie sich bitte daran, dass zwar die Rede von einer fünfhundertj.hrigen Besetzung ist, diese jedoch nicht immer und über den gesamten Zeitraum gleich war. Die ersten zwei Jahrhunderte, 16. und 17., waren die schlimmsten. Dort muss man eigentlichnvon Völkermord und Türkisierungn (Zwangskonvertierung) sprechen!
Später als die osmanischen Eroberungen vor Wien endeten und die Sultane friedlichern werden mussten, haben die Christenn eine Erholungsphase erlebt. Dies ist auch ohne bestimmte historische Beweise bekannt. Nach dern französischen und vor allem nach der griechischen Revolution kam es zu einer Neuordnung der osmanischen Politik, wohl unter dem Einfluss der ausländischen Truppen, die jetzt ihre eigenen Ziele für die Zukunft des einstig sehr mächtigen Osmanischen Reichs verfolgten. Aber die wichtigste Änderung in der Politik der Osmanen zum Vorteil der Christen bildeten die Reformen der Jahre 1839 und 1856, die auch unter dem Druck der Grossmächte eingeführt wurden. So wurden Bestimmungen erlassen, die den Minderheiten eine Art Autonomie gewährten.
Zu dieser Zeit lebten die unterdrückten Griechen, in unserem Fall auch die Pontos-Griechen, unter dem Einfluss zwei ideologischer Zentren. Auf der einen Seite das Ökumenische Patriarchat, das durch die Bischöfe die kirchliche Richtung vorgab, und auf der anderen Seite die Propaganda des jungen griechischen Staates über unsere Religion, die griechische Sprache und unsere Wurzeln. Somit versuchten Akademiker der Athener Universität, pontischer und auch nichtpontischer Herkunft, durch Reisen in das Pontosgebiet die Namen der Pontosgriechen, die über die Jahren türkisch klangen, ins Griechische zu übersetzen, wie z.B. Papazoglou zu Papadopoulos, Saroglou zu Xanthopoulos, oder Topseklis zu Anthopoulos, usw. Die türkische Endung –oglou wurde durch die antiken griechischen Endungen –idis, –adis und –opoulos ersetzt.
Besonders während der Herrschaft von Abdul Hamid, dieser Name sollte ein Begriff sein, wurden viele Freiheiten gegeben, und zwar in dem Masse, dass trotz der tyrannischen Regierung diese dreissig Jahre Herrschaft als eine Oase für die Pontos-Griechen angesehen werden können. Damals wurden die Ältestenräte in den Gemeinden eingeführt, die unter anderem eine Reichensteuer zugunsten der Armen einführten. Es wurden sehr viele neue Kirchen und Schulen gegründet. Die Lehrer dieser Schulen standen unter der Führung der örtlichen Kirchen. In der Region von Pontos gab es in diesem Zeitraum vergleichsweise viel mehr Kleriker, Lehrer und Schüler als in allen anderen Gebieten, die von unterdrückten Griechen besiedelt waren.
Die Griechen haben von der boomenden Wirtschaft profitiert, da der gewerbliche Handel fest in ihren Händen war. Vier von fünf Banken in Trapezous waren in griechischen Händen! Kapadokier und Kessarier besiedelten die Stadt Samsunta im westlichen Pontos. Ein grosser Teil der Einwohner des Gebiets “Chaldia” siedelt 1878 in den russischen Kaukasus (Kars) um. Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Oppositionen gegen das autoritäre Regime des Sultans. Die herrschende Ideologie war die Schaffung eines einzigen nationalen Gewissens und die Abschaffung der osmanischen Lebensart. Jetzt sollte das Türkentum eingeführt werden. Osmanen sollten zu Türken werden. So kam es zur Revolution der Jungtürken, fünfzehn Jahre vor dem sog. Völkeraustausch. In einer Zeit, in der meisten sich mit einem griechisch-osmanischen Zusammenleben abgefunden hatten. Doch die Zeit, die darauffolgte, änderte alles. Historische Ereignisse wie die Balkankriege und der erste Weltkrieg waren ausschlaggebend und hilfreich für die Türken. Die Jungtürken des Jahres 1908 waren sehr nationalistisch gesinnt. Ihr Motto war: “Die Türkei gehört den Türken”. Somit war das Schicksal aller Nichttürken besiegelt. Das war der Anfang vom Ende für uns. Die Ereignisse der Folgejahre mit all den kriegerischen Auseinandersetzungen endeten mit dem schlimmsten für uns. Das Alibi für die Türken war geschaffen, um Ihr Werk zu vollenden.
Nur aus politischer Sicht kann man erklären, wie ein gastfreundliches, friedliebendes, ungebildetes, untätiges und abergläubisches Volk zu einem diebischen, vergewaltigenden, gewalttätigen und Völker mordenten Volk wurde. Die Balkankriege haben den türkischen Nationalstolz getroffen. Der Verlust europäischer Gebiete und die Flucht muslimischer Bürger, deren Zahl im sechsstelligem Bereich lag, schürten Hass gegen die Christen -Dann kam es zu den ersten Boykotts christlicher Bürger in der Türkei wie auch zu den ersten Morden. Der politische Wandel dieser Zeit ist niedergeschrieben worden in offiziellen staatlichen Dokumenten mit eidesstattlichen Aussagen. Der Geheimvertrag von Thessaloniki ist ein Beispiel dafür. In diesem steht geschrieben, dass man ein für alle Mal der verhassten christlichen Bevölkerung in der Türkei ein Ende setzen muss. Der Erste Weltkrieg bot die Gelegenheit, dies zu tun, mit der Begründung, dass Griechenland und die Türkei auf verschiedenen Seiten kämpften. Es ist interessant zu sehen, wie die Staaten und deren Führer sich für die eine oder andere Seite entscheiden mussten. Griechenland hat einen schweren Preis für seine Wahl bezahlt, aber es war klar, dass man auf der Gegenseite der Türkei sein würde. Die Umsetzung begann bereits die Zerstückelung der Türkei, als sich die Türken an die Deutschen wandten. Die Deutschen betrieben Aufbauarbeit in der Türkei. Von ihnen kamen Vorschläge und Hinweise zur Umsetzung der ethnischen Säuberung im Land, dazu wurde militärisches und wirtschaftliches Personal eingesetzt.
Das Ergebnis sollte ein autonomer türkischer Staat ohne seine langjährige christliche Bevölkerung sein. Jedoch wäre dieses traurige Schicksal nicht eingetroffen und die Landung in Smyrna, die Besetzung Ost-Thrakiens sowie die Gründung der Republik Pontos würde die Vollendung der sog. “Grosse Idee“ Griechenlands” verwirklichen, falls die Alliierten ihre strategische Pläne nicht ändern würden, sowie die Oktoberrevolution in der Sowjetunion nicht passieren würde.
Aber schauen wir mal auf die historischen Ereignisse. Bereits 1915-1916 führten die Operationen in Tsanakkale zu einer Massenvernichtung der griechischen Küstenbevölkerung mit dem Vorwand, dass die Küstenstädte eine Gefahr für die Türkei seien, da die Alliierten von dort auch das Landesinnere angreifen könnten.
So kam es zur ethnischen Säuberung der Küstenregionen. Es wird geschätzt, dass zur dieser Zeit der Verfolgung allein im Pontos 250’000 Menschen ihr Leben verloren. Opfer zu beklagen hatte insbesondere der westliche Pontos (Tripolis, Kerassounda). Der restliche Pontos, unter anderem Trapezounta, Matsouka, Kromni und Santa, war unter russischer Herrschaft und kam vorerst davon. Unerklärlich oder zumindest noch nicht geklärt ist, warum die Russen am Charsioti Fluss stoppten und nicht weiter westlich gezogen sind, was den westlichen Pontos-Griechen das Leben gerettet hätte und wofür sie beteten.
So wollten es wohl die Grossmächte und unsere Vorfahren wurden zu deren Spielzeug. Das war jedoch nicht alles. Die Türkei, die zu den Verlierern des Krieges gehörte und vor der Zerstückelung des Landes durch die Grossmächte stand, war am Ende, und die Chance auf ein autonomes und freies Land ´Pontos´ war greifbar nahe. Der Sieg der Bolschewisten und die politischen Änderungen in Griechenland führten jedoch zu einem Umdenken bei den Siegermächten.
Uni-Proffessor Neoklis Sarris hat es auf den Punkt gebracht. Zwei Mal haben historische Ereignisse das Osmanische Reich gerettet. Zum ersten die französische Revolution, als die Europäer das Osmanische Reich stützten, und mehr als hundert Jahre spatter die russische Oktoberrevolution, als Lenin Mustafa Kemal half. Die Grossmächte teilten wohl nicht die Meinung Griechenlands, den Kaukasus kontrollieren zu können, und somit ignorierte man das historische Recht der Griechen und wandte sich den Türken zu. Sie unter-stützten Mustafa Kemal. Die Italiener und Franzosen ganz offen, die Russen mit einem Friedensvertrag (Brest-Litofsk Vertrag) bei dem der Kaukasus den Türken übergeben wurde. Die Amerikaner interessierten sich plötzlich nicht mehr für das Recht der Völker, unabhängig zu sein, und die Engländer spielten ein doppeltes Spiel.
Unsere Heimat, der Pontos, wurde seinem Schicksal überlassen, der auf den Namen Topal Osman hört. Dessen Söldnertruppe hatte auch noch das gesamte Militär hinter sich. In den Städten wurden Menschen auf öffentlichen Plätzen am helllichten Tag getötet, die Dörfer ergaben sich schnell. Die Berge, die Täler und die Wiesen des Pontosgebietes färbten sich rot, denn alles war voller Blut.
Viele flohen nach Russland und kamen so nach Griechenland. Nachdem der Vertrag von Lausanne abgeschlossen wurde, wurden schliesslich die Zurückgebliebenen wie Waren gehandelt und mit den Muslimen Griechenlands ausgetauscht.
Das war ein kurzer, allgemeiner Überblick über die Geschehnisse dieser Zeit. Jemand der darüber spricht, kann jedoch einige charakteristische Momente die zum Genozid führten nicht vernachlässigen. Es kann nicht sein, dass die Massaker in den blühenden Städten des Pontos, die systematisch ab 1914 durchgeführt wurden, die Morde an unschuldigen Männern, Frauen, Kindern, Alten und Kranken, alles ein Produkt militärischer Taktik waren. Die Opfer waren auch keine Deserteure, Terroristen, Verräter und Diebe, die hingerichtet warden mussten. Aber auch die Verfolgungen und Verbrechen gegen hunderttausende Pontos-Griechen, die unter unmenschlichen Bedingungen ins Landesinnere verschleppt wurden, um auf dem Weg dorthin und auch am Ziel zu sterben, waren ein wesentlicher Bestandteil des Genozids.
Die emotionelle Art und Weise, mit der wir dieses Thema diskutieren, zwingt uns diese Geschehnisse als Genozid zu bezeichnen, so wie es das internationale Recht heutzutage sieht. Darüber hinaus muss man hinzufügen, wie es seinerseits Polychronis Enepekidis auch bemerkte, dass es ein Genozid der türkischen Art gewesen ist, tückisch, orientalisch und räuberisch. Denn die Todesmärsche und Massaker an Unschuldigen und kleinen Mädchen sind eine teuflische Taktik gewesen, die die Ehre eines jeden Menschen aufs tiefste verletzen.
Wir müssen aber auch das Opfer erwähnen, das viele erbrachten, den unbeugsamen Willen um die Ehre, Eigentum und Würde ihrer Familie zu verteidigen. Es ist die Rede von denjenigen die aktiv ihre Chance auf Freiheit und Autonomie suchten. Als der Sieg der Alliierten, zu denen auch Griechenland gehörte, und die darauffolgende Zerstückelung des Osmanischen Reichs es ihnen erlaubte, bekundeten sie öffentlich ihren Wunsch. Aber unabhängig des vom amerikanischen Präsidenten Wilson ausgesprochenen Selbstbestimmungsrecht jeder Volksgruppe, blieb der Wunsch unerfüllt.
Heute werden diejenigen, die in den Bergen Schutz suchten, um den Massakern zu entgehen, von den Türken als Terroristen und Mörder beschimpft. Sie werden sogar beschuldigt, einen Genozid gegen die Türken begangen zu haben. Wie Paradox! Das ist das wahre Bild von damals, welches heute in keinem Geschichtsbuch erscheint. Auch im Kapitel über die sog. „Kleinasiatische Katastrophe“ wird nirgendwo das Geschehen im Pontos erwähnt. Grund dafür ist die griechisch-türkische Annäherung, die als Vorwand für die Verschleierung benutzt wird. Es dürfen keine Wunden wieder geöffnet werden, es darf keine Spannungen geben, der Nationalismus darf nicht aufflammen. Den Türken kommt der vergessene Völkermord natürlich entgegen. Griechenland hat jedoch eine der schillerndsten Kapitel seiner Geschichte, den Pontos, verloren. Solange es im Interesse der Türkei liegt, moralisch gut dazu-stehen, wird es schwer sein, unser Ziel, das Erreichen einer einfachen Entschuldigung seitens des Türkischen Staates, geltend zu machen. Die Anerkennung des Genozids sollte nicht auf die Pontischen Vereine abgewälzt werden. Das griechische Parlament selber, unter dem Druck der pontischen Lobbys, falls es einen solchen gibt, hätte die UNO, wie auch andere internationale Organisationen unter Druck setzen müssen, um die Anerkennung zu erreichen. Nur so glauben wir, werden die Seelen der Opfer der türkischen Nationalisten Ruhe finden.
Meine Damen und Herren.
Diese geschichtliche Erinnerung ist wichtig für uns. Nicht um Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und jede Form von Rassismus zu fördern, sondern um unseren Einsatz lebendig zu halten, um nicht vom Weg abzukommen an dessen Ende die Gerechtigkeit ist. Europa befindet heute auf dem Weg zu einer Weltgemeinschaft der Nationen. Viele befürchten, dass in dieser friedlichen Entwicklung unser Ziel verloren gehen könnte. Aber das wird nicht passieren! Unsere Pontische Seele altert nicht.
Unser Mut und unsere Seele haben im Pontos Geschichte geschrieben. Wir haben auch dort eine epische Schlacht in Santa, wie Jahrhunderte davor im Marathon, gewonnen. Die Blüte der pontischen Seele ist heute noch kräftig, stark und unbeugsam. Der Pontos lebt und siegt! Es ist ein herrlicher, lebendiger Sieg, der hell in den Augen unserer Kinder scheint, ein Sieg, der uns heute zu dieser Veranstaltung im Zentrum der Schweiz nach Zürich zu unseren Brüdern gebracht hat.
Danke schön.
Bibliographie:
Agtzidis B., Paraefxeinios Diaspora Bros Kyriakides, Thes / niki 2001
Enepekidis P., Völkermord am Schwarzen Meer, Schwarz-Club Thessaloniki, Thes / niki 1996
Sarris N., Proceedings of the Third Int. Syn. Pontian 1992
Fotiadis K., Die ethnokarthasi die Griechen von Pontos, Malliaris-Bildung, Thes / niki 2008
Charalambides M., Die pontische Frage heute, Strabo, Athen 2006
Psathas D., Land des Meeres, Psatha Maria, Athen 1966